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CAR-T-Zelltherapie: spektakuläre Heilungschancen, aber immer noch zu hohe Kosten

Wie Fresenius Kabi mit Hilfe der Zellverarbeitungssysteme Lovo und Cue die Behandlung von Krebspatienten revolutioniert

Das Forschungsteam von Fresenius Kabi USA

Die so genannten CAR-T-Zelltherapien gehören zu den innovativsten Therapiemöglichkeiten, die der Medizin heute zur Verfügung stehen, etwa bei bösartigen Blutkrebserkrankungen. Um sie anzuwenden, benötigen Mediziner die lebenden Zellen des Patienten, die dann in einem aufwendigen Verfahren speziell aufbereitet werden. Der gesamte Herstellungsprozess für diese zellbasierten Therapeutika ist äußerst komplex und logistisch anspruchsvoll, was die therapeutischen Anwendungen teuer macht und ihre Zugänglichkeit einschränkt.

(Veröffentlicht: November 2024)

Zunächst werden dem Patienten die Blutzellen entnommen. Die Immunzellen werden dann isoliert und genetisch verändert, in der Regel mit einem gentechnisch veränderten Virus. Anschließend werden sie vermehrt – das heißt zu einer großen Anzahl herangezüchtet – und aufbereitet, bevor sie dem Patienten wieder zugeführt werden. All diese Schritte müssen in einer sterilen Umgebung für eine Chargengröße von genau einem Zähler durchgeführt werden. Denn jede CAR-T-Zelltherapie wird individuell auf den einzelnen Patienten zugeschnitten – und genau das macht die Therapie so besonders. Derzeit benötigen Mediziner und Forscher oft eine Produktionszeit von drei bis sechs Wochen, bis eine individuelle CAR-T-Therapie zur Verfügung steht.

Lesen Sie mehr dazu im Interview mit Chris Wegener, Director, CGT R&D, Research and Advanced Technologies, Transfusion and Cell Therapies Fresenius Kabi USA.

Erster Schritt zur Rationalisierung: Zellkulturen werden zentral in einer Produktionsstätte hergestellt

Wegen dieses langwierigen und komplexen Produktionsprozesses werden die Zellkulturen in der Regel zentral in einer einzigen Produktionsstätte hergestellt. Hier sind nicht zuletzt hochqualifiziertes Personal, eine spezielle Laborausstattung und die notwendige Infrastruktur vorhanden. All dies ist jedoch mit großen logistischen Herausforderungen verbunden und es kann zu Engpässen in der Produktion kommen. „Die Kosten sind in jedem Fall hoch“, erklärt Chris Wegener. „Die daraus resultierenden Therapien sind daher insgesamt sehr teuer und können derzeit nicht die Bedürfnisse der gesamten Patientenpopulation befriedigen“, fügt er hinzu.

Um die Behandlung zu demokratisieren und mehr Patienten zugänglich zu machen, arbeiten die Experten der Zell- und Gentherapieindustrie seit langem intensiv an neuen Ansätzen. Ihr Ziel ist es, den Prozess zu vereinfachen und damit die Produktionskosten der CAR-T-Zelltherapie zu senken. Dazu muss jedoch die Art und Weise, wie CAR-T-Zellen hergestellt werden, grundlegend geändert werden. Eine der Möglichkeiten zur Verschlankung des Prozesses besteht darin, die zentrale Produktion weiter zu automatisieren. Damit eine solche Automatisierung effizienter wird, müssen aber auch neue Werkzeuge entwickelt und zur Verfügung gestellt werden. Und genau an diesem Punkt der Entwicklungsgeschichte haben sich vor einiger Zeit die Ingenieurteams bei Fresenius an die Arbeit gemacht.

Chris Wegener, Director, CGT R&D, Research and Advanced Technologies, Transfusion and Cell Therapies Fresenius Kabi USA, leitet die Entwicklung.

Forschungsteam von Fresenius Kabi tüftelt schon länger an den Zellverarbeitungssystemen Lovo und Cue

Fresenius Kabi unterstützt schon seit langem die Anwendung von CAR-T-Zelltherapien: Das Unternehmen ist zwar nicht direkt an der medizinischen Forschung beteiligt, stellt aber die dafür notwendige technische Laborausrüstung her.

In den USA entwickelt und produziert Fresenius Kabi zum Beispiel zwei neue Geräte, die für den CAR-T-Zelltherapieprozess unerlässlich sind. Seit 2016 arbeitet ein Entwicklungsteam unter der Ägide von Chris Wegener am Standort Lake Zurich an der Entwicklung des automatisierten Lovo Cell Processing Systems, einem Zellverarbeitungssystem. Und seit 2022 wird das Cue Cell Processing Systems weiterentwickelt. Die beiden Geräte werden im komplexen Herstellungsprozess der CAR-T-Zelltherapie als eine Art „Produktionsanlage“ eingesetzt.

„Wir haben sowohl für das Lovo als auch für das Cue-Entwicklungsprojekt ein zentrales F&E-Team, d.h. die Kolleginnen und Kollegen arbeiten je nach Bedarf an den Projekten mit – manchmal auch an mehreren gleichzeitig“, erklärt Wegener. „In der Spitze arbeiteten sowohl im Lovo als auch im Cue-Projektteam rund 35 Kollegen.“

Wie damals alles begonnen hat

Bereits im Jahr 2011, also vor fast 15 Jahren, hatte die Forschungscommunity weltweit mit der Entwicklung von CAR-T-Verfahren begonnen. „Die ersten Verfahren zur Herstellung der spezifischen Zellkulturen in einem Bioreaktor ähnelte der Arbeit in einem medizinischen Forschungslabor: Die Wissenschaftler bewegten sich in speziellen Reinräumen, trugen die bekannten ‚Hasenanzüge‘ und transferierten mit Pipetten Flüssigkeiten zwischen Reagenzgläsern und Kolben“, erinnert sich Wegener, der ursprünglich Biomedizintechnik studiert hat. „Aber als sich nach einiger Zeit herausstellte, dass die CAR-T-Zellen erstaunlich gut für die Zelltherapie geeignet waren, behielten die Forscher diesen mühsamen und zeitaufwändigen Ansatz bei.“

Um mehr Patienten behandeln zu können, müsste der Produktionsprozess jedoch in größere Reinräume verlegt und in einem größeren Maßstab durchgeführt werden. Diese Erweiterung wird im Fachjargon als Scale-out bezeichnet. „Aber irgendwann gehen einem die qualifizierten Forscher aus, dann hat man ein Ressourcenproblem – und es wird zu teuer, weitere Reinräume zu bauen“, sagt Wegener. „Dann ist es im Entwicklungsprozess einfach nicht mehr möglich, alle Patienten zu behandeln, die eine Therapie brauchen.“

Für die Produktionsprozesse der CAR-T-Zelltherapie werden hochkomplexe und automatisierte Geräte benötigt. Diese Systeme müssen in sich geschlossen, also steril sein. Die Systeme Lovo und Cue, die Kabi seit mehr als acht Jahren entwickelt, erfüllen genau

Was für die Erweiterung des Herstellungsprozesses benötigt wird: hochkomplexe und voll automatisierte Geräte

Für die Erweiterung des Herstellungsprozesses sind laut Wegener vor allem zwei Dinge wichtig: „Es werden hochkomplexe und automatisierte Geräte benötigt, die speziell für die Produktionsprozesse der CAR-T-Zelltherapie entwickelt wurden. Und diese Systeme müssen in sich geschlossen, also steril sein“, so Wegener weiter. Es zeigte sich, dass die Systeme Lovo und Cue, die Kabi seit mehr als acht Jahren entwickelt, genau diese Anforderungen erfüllen: Sie sind so weit automatisiert, dass auch weniger qualifiziertes Personal mehrere Prozesse gleichzeitig durchführen kann. Außerdem sind sie flexibel und können so konfiguriert werden, dass sie viele verschiedene Arbeitsabläufe unterstützen. Und: Die Geräte können auch außerhalb des Reinraums betrieben werden.

„Damit sind wir der dringend benötigten Erweiterung des Fertigungsprozesses einen großen Schritt nähergekommen“, zieht Wegener ein positives Fazit. „Allerdings können die beiden Systeme Lovo und Cue den gesamten Prozess nicht allein bewältigen. Hier müssen weitere Instrumente und Verfahren vor- und nachgeschaltet werden“, erklärt der Experte.

Weiterer Entwicklungsschritt: Produktion wird weitgehend automatisiert, findet aber immer noch zentral in einer Produktionsstätte statt

Auch wenn die einzelnen Arbeitsschritte vollautomatisiert sind, erfolgt die Herstellung von Zellkulturen in der Regel immer noch zentral in einer einzigen Prozessanlage. Denn trotz aller Komplexität können solche Anlagen sehr zuverlässig hochwertige therapeutische Zellen produzieren. Allerdings befindet sich eine solche zentrale Anlage in der Regel nicht in der Nähe des Patienten.

Neueste Erkenntnisse im Rahmen der Gen- und Zelltherapie haben gezeigt, dass die immer noch weit verbreitete Praxis, hochautomatisierte Produktionsprozesse in einer zentralen Anlage – weit weg vom Patienten – ablaufen zu lassen, nicht immer sinnvoll ist. Deshalb arbeiten Forschung und Therapieentwickler intensiv daran, neue Wege zu finden, um den Produktionsprozess weiter zu vereinfachen. Wirksame und innovative Lösungen könnten in eine völlig neue Richtung weisen und die Dezentralisierung aller Prozesse bei der Herstellung von Zellkulturen beinhalten. Dies würde die Produktion näher an den so genannten „Point of Care" bringen – also ans Krankenbett bzw. an den Patienten.

„Und genau hier liegt der Schwerpunkt unserer Forschung: an Lösungen und Geräten der nächsten Technologiegeneration“, so Dr. Marc-Alexander Mahl, Leiter des Bereichs Pharma, Nutrition und Sustainability bei Fresenius Kabi. Darüber hinaus wird daran geforscht, den Produktionsprozess deutlich zu verkürzen – auf weniger als einen Tag oder sogar nur wenige Stunden.

Therapien der nächsten Generation: ermöglichen Behandlung direkt am Patientenbett

„Wir haben das Potenzial erkannt, das in den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen liegt“, erklärt Mahl. „Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit Forschern und Entwicklern an speziellen Therapien der nächsten Generation von Produktionstechnologien zu arbeiten. Diese haben mittelfristig das Potenzial, die Prozesse direkt am Patientenbett durchzuführen.“

Wir rechnen jedoch mit besonderen Anwendungen oder Bedingungen, bei denen der therapeutische Produktionsprozess am Point of Care nicht optimal ist. „Es wird daher wichtig bleiben, parallel auch Laborprozesse für unsere Zellverarbeitungssysteme Lovo und Cue zu entwickeln und die bestehende Produktpalette weiter auszubauen“, ergänzt Dr. Mahl.