„Ich möchte Sardinen, bitte“. Die Worte der kleinen Patientin sind leise. Langsam öffnet sie ihre Augen, noch deutlich geschwächt von der auszehrenden Krankheit, die in ihr wütet. Sie ist sechs Jahre alt, lebt in Liberia und ist schwer an Ebola erkrankt.
(Veröffentlicht: Juni 2015)
Vorsichtig betrachtet sie eine Person, die an ihrem Bett steht: Die Frau ist von Kopf bis Fuß in einem Schutzanzug gekleidet. Ihr Blickt ruht auf dem kleinen Mädchen. Als sie näher kommt, raschelt der Anzug. Behutsam beugt sie sich über ihre Patientin und beginnt, ihre Vitalzeichen zu messen und Medikamente zu verabreichen.
Sechs Wochen lang war Sonja Stihler für Ärzte ohne Grenzen in Foya im Einsatz, einer Stadt im Norden Liberias. Zuhause in Ludwigshafen arbeitet sie als medizinische Fachangestellte bei NephroCare, einer Tochtergesellschaft von Fresenius Medical Care. Dort kümmert sie sich um chronisch Nierenkranke, die auf die lebenserhaltende Dialysebehandlung angewiesen sind. Damit sie die Menschen in Liberia im Kampf gegen Ebola unterstützen konnte, stellte NephroCare sie für die Dauer ihres Aufenthalts von der Arbeit frei. 2011 war Stihler schon einmal für Ärzte ohne Grenzen im Einsatz. Sechs Monate half sie damals beim Aufbau einer Dialysestation im Irak mit.
„Menschen in Krisensituationen zu helfen, ist eine wichtige Aufgabe.“
„Für solche Momente hat sich das alles gelohnt“, freut sich Sonja Stihler, als sie an das kleine Mädchen in Liberia denkt. Der Zustand der Patientin hatte sich zunächst immer weiter verschlechtert – so sehr, dass die Ärzte nicht mehr mit ihrem Überleben gerechnet hatten. Dass sie eines Morgens hungrig nach Sardinen fragte, war der Beginn einer unfassbaren Wende. Ihr Zustand verbesserte sich zusehends; endlich schlug die Behandlung an. Ein paar Tage später konnte das Mädchen schließlich entlassen werden. Sie war geheilt.
Mehr als 6.000 Kilometer liegen zwischen Ludwigshafen und Foya. Der Weg in das Ebola-Gebiet führte Sonja Stihler zunächst nach Belgien. In einem Intensivkurs mit integriertem Sicherheitstraining bereitete ein Team von Ärzte ohne Grenzen die ehrenamtlichen Helfer auf ihren Einsatz vor. Zwei Tage später ging es weiter nach Liberia. Das Ebola-Zentrum in Foya umfasste etwa 100 Betten. Stihler und ihre Kollegen behandelten die grippeähnlichen Symptome der Patienten, denn ein Medikament gegen Ebola gibt es nicht. Sie verabreichten fiebersenkende Medikamente, Schmerzmittel und Antibiotika. Zur Stärkung kamen Vitamine und Elektrolyte zum Einsatz. Ebenso wichtig sind Nahrung und viel Flüssigkeit, um den Körper im Kampf gegen die Viren zu unterstützen. Sonja Stihler pflegte aber nicht nur Patienten, sondern führte auch Trainings für das örtliche Pflegepersonal durch und leitete Mitarbeiter anderer Hilfsorganisationen an. Sie erstellte außerdem Schichtpläne und organisierte die Arbeitsabläufe vor Ort.
„Der Alltag war sehr anstrengend“, räumt Stihler ein, „der Umgang mit der hochansteckenden Krankheit hat von uns allen sehr viel Selbstkontrolle gefordert.“ Ebola-Viren sind über Körperflüssigkeiten von Mensch zu Mensch übertragbar. Infizierte leiden zunächst unter Grippesymptomen wie hohem Fieber, Husten und Gliederschmerzen, aber auch Durchfall und Erbrechen. Später können unter anderem Hautausschläge, Atemnot sowie innere und äußere Blutungen hinzukommen. Die Erkrankung verläuft meist tödlich. Laut WHO starben seit dem Ausbruch Anfang des Jahres 2014 fast 10.000 Menschen an den Folgen von Ebola, mehr als 4.000 davon allein in Liberia. Viele Infizierte konnten aber auch durch das Engagement der zahlreichen Helfer gerettet werden. Glücklicherweise nimmt die Zahl der Neuinfektionen in Westafrika inzwischen ab. In Liberia wurde im März der letzte Ebola-Fall gemeldet. Dies ist ein großer Erfolg, zu dem auch Sonja Stihler ihren Teil beigetragen hat.
Kurz vor ihrer geplanten Rückkehr nach Deutschland traf sie aber ein großer Schock. Auf dem Weg zum Check-in am Flughafen von Monrovia, der Hauptstadt Liberias, fiel Stihler bei einer routinemäßigen Temperaturmessung auf: Beginnendes Fieber. Verdacht auf Ebola. Umgehend wurde sie von Ärzte ohne Grenzen isoliert. Nach Wochen, in denen sie sich um andere gekümmert hatte, musste sie nun erfahren, wie es ist, selbst Patientin zu sein. „Die Ungewissheit, bis die Ergebnisse der Bluttests da waren, war sehr bedrückend. Trotzdem habe ich meine Zeit in Liberia nicht bereut“, erzählt Sonja Stihler. Zu ihrem großen Glück fiel der erste Bluttest negativ aus, und auch der zweite Test 48 Stunden später bestätigte, dass das Fieber nicht durch den Ebola-Virus ausgelöst wurde. Mit einigen Tagen Verspätung konnte sie zurück nach Deutschland fliegen. Dort musste sie sicherheitshalber noch drei Wochen lang täglich zweimal Fieber messen, was sie ohne symptomatische Auffälligkeiten überstanden hat.
„Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass meine Familie, meine Freunde und auch meine Arbeitskollegen mich in Deutschland so gut aufgenommen haben. Da gab es zum Glück keine irrationalen Ängste, nur weil ich in einem Ebola-Gebiet war“, äußert sich Stihler mit Blick auf die Zeit nach der Quarantäne. „Ich habe so viel Unterstützung und positives Feedback von meinem Umfeld erhalten, das war sehr berührend.“ Auf die Frage, ob sie sich vorstellen kann, noch einmal in ein Krisengebiet zu reisen, hat Stihler eine klare Antwort: „Unbedingt. Menschen in Krisensituationen zu helfen, ist eine wichtige Aufgabe. Und eine erfüllende zugleich.“
Titelfoto: istockphoto© IlonaBudzbon
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